Sulfatasen

Sulfatasen (EC 3.1.6.-) gehören zur Esterase-Klasse, die die Hydrolyse von Sulfatestern katalysieren, und spielen eine Schlüsselrolle bei der Regulierung der Sulfatierungszustände, die die Funktion vieler physiologischer Moleküle bestimmen. Die Substrate der Sulfatasen reichen von kleinen zytosolischen Steroiden, wie Estrogensulfat, bis hin zu komplexen Zelloberflächen-Kohlenhydraten, wie den Glykosaminoglykanen. Zusammen mit Sulfotransferasen bilden Sulfatasen die Hauptkatalysatoren für die Synthese und den Abbau von Sulfatestern. Die von Sulfatasen katalysierten Reaktionen wurden mit wichtigen zellulären Funktionen in Verbindung gebracht, einschließlich der Hormonregulation, der zellulären Abbauprozesse und der Modulation von Signalwegen. Darüber hinaus wurden Sulfatasen auch mit dem Auftreten verschiedener pathophysiologischer Zustände in Verbindung gebracht, einschließlich hormonabhängiger Krebserkrankungen, lysosomaler Speicherkrankheiten, Entwicklungsanomalien und bakterieller Pathogenese.

Verteilung

Sulfatasen kommen in niederen und höheren Organismen vor. Niedere eukaryotische und bakterielle Sulfatasen sind löslich und wurden in zytoplasmatischen, periplasmatischen und extrazellulären Regionen gefunden. In höheren Organismen sind sie in intrazellulären und extrazellulären Räumen zu finden. Eukaryotische Sulfatasen sind für den sekretorischen Weg bestimmt und werden vor dem Transport in die extrazelluläre Matrix (ECM) oder zu subzellulären Standorten, wie dem endoplasmatischen Retikulum (ER), dem Golgi-Apparat und dem Lysosom, umfangreich glykosyliert. Lysosomale Sulfatasen spalten eine Reihe von sulfatierte Kohlenhydraten, einschließlich sulfatierter Glykosaminoglykane und Glykolipide. Steroid-Sulfatase ist in einer Vielzahl von Geweben im gesamten Körper verteilt, was es ermöglicht, dass sulfatierte Steroide, die in den Nebennieren und Gonaden synthetisiert werden, nach der Verteilung durch das Kreislaufsystem desulfatiert werden.

Struktur

Die Strukturen von vier Sulfatasen wurden bis heute durch Röntgenkristallstruktur-Analyse gelöst: HARSA (menschliche Arylsulfatase A), HARSB (menschliche Arylsulfatase B) und HARSC (Arylsulfatase C) aus Menschen sowie PARS (Pseudomonas aeruginosa Arylsulfatase). Die Strukturen sind auffallend ähnlich und zeigen ein nahezu sphärisches globuläres Monomer mit gemischter α/β-Topologie, das in zwei Domänen unterteilt ist. ARSC enthält zusätzlich eine einzigartige transmembrane Domäne, von der die lösliche Domäne „wächst“, was dem Enzym eine „pilzartige“ Morphologie verleiht. Die größere, N-terminale Domäne besteht aus Helices, die ein großes gemischtes β-Faltblatt umgeben, das aus 10 Strängen in den HARSA-, HARSB- und PARS-Strukturen und 11 Strängen in HARSC besteht. Die kleinere, C-terminale Domäne enthält ein viersträngiges antiparalleles β-Faltblatt, das eng gegen eine lange, lösungsmittel-exponierte C-terminale α-Helix gepackt ist. Wie typisch für die α/β-Familie von Enzymen befindet sich die aktive Stelle in der C-terminalen Enden des großen β-Faltblatts, wobei das FGly-Rest am Boden einer engen Spalte liegt, die mit geladenen Aminosäuren ausgekleidet ist.

Die aktive Stelle der Sulfatase besteht aus 10 hochgradig miteinander verbundenen polaren Resten und einem zweiwertigen Metallkation. Im Fall von HARSA wird eine Metallbindungsregion durch die generischen Reste AspA, AspB, AspC und AsnA gebildet, die konservativ durch einen Glutaminrest in ARSC ersetzt wird. In HARSB, HARSC und PARS koordinieren diese Metallbindungsreste zusammen mit FGly und einem Sauerstoffatom des Sulfats (oder Wasser in dessen Abwesenheit) ein Ca²⁺-Kation heptavalent; in HARSA wird ein Mg²⁺-Ion oktahedral koordiniert.

Mechanismus

• Additions-Hydrolyse (AH) Mechanismus

Der Mechanismus beginnt mit einem nucleophilen Angriff eines Sauerstoffatoms der Sulfatgruppe auf die elektrophile Aldehydgruppe von FGly, um ein Sulfatdiester zu bilden. Das Alkoholkonjugat wird dann durch die Wirkung eines Nucleophils, wie einem aktivierten Wassermolekül (ähnlich dem AP-Mechanismus), freigesetzt.

• Transesterifizierung-Elimination (TE) Mechanismus

Im ersten Schritt fungiert eine der geminalen Hydroxygruppen des FGly-Hydrates (FGH) als Nucleophil. Ein SN2-Angriff am Schwefelatom des Sulfats hydrolysiert das konjugierte Alkohol und erzeugt ein transienten FGS. Die zweite geminale Hydroxygruppe reagiert dann, um Sulfat zu eliminieren und das Aldehyd wieder zu bilden. Schließlich wird der katalytische Zyklus durch die Hydratation des Aldehyds abgeschlossen, um das FGH wiederherzustellen.

Abbildung 1. Vorgeschlagene mechanistische Schemata für die Hydrolyse von Sulfatestern durch die aktive Aldehydstelle FGly. a) Additions-Hydrolyse (AH) Mechanismus. b) Transesterifizierung-Elimination (TE) Mechanismus.
(Sarah R. et al. 2010)

Biologische Funktionen

Menschliche Sulfatasen wurden in mehreren subzellulären Standorten gefunden, wo sie eine Schlüsselrolle in wichtigen biologischen Prozessen spielen, einschließlich der Synthese von Hormonen im ER, dem Abbau von Glykosaminoglykanen und Glykolipiden im Lysosom und der Modulation der Entwicklungszell-Signalgebung in der ECM. Mehrere andere menschliche Sulfatasen wurden identifiziert, aber ihre biologischen Funktionen sind unbekannt. Möglicherweise sind diese Enzyme an der Desulfonierung anderer wichtiger Biomoleküle beteiligt, wie sialyl Lewis^X-6S (sLe^X-6S) und Tyrosin-O-sulfat. Die Sulfatasen von Wirbellosen und niederen Eukaryoten sind weitgehend unerforscht. Mehrere Gene wurden kloniert, und in einigen Fällen zeigen sie Aktivitäten, einschließlich einer Rolle in der Entwicklung von Seeigel-Embryonen, der Inaktivierung endogener Pflanzen-Toxine und der Beteiligung am Schwefelstoffwechsel in Algen und Pilzen.

Hohe Aktivitätsniveaus von ARS, Alkylsulfatase und Glykosulfatase wurden in vielen verschiedenen Bakterienarten identifiziert. Allerdings wurden nur eine Handvoll bakterieller Sulfatasen-Gene kloniert und charakterisiert. Diese Enzyme fungieren typischerweise als Scavenger, die Sulfatgruppen von exogenen Substraten entfernen, um Schwefel- und Kohlenstoffquellen für ihre Wirte bereitzustellen. Neuere Studien haben weitere Funktionen von bakteriellen Sulfatasen in der Osmoprotektion und pathogenen Prozessen gezeigt.

Referenz